Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Galerie Hofstätter, Wien, September 2004 Hermann Nitsch zu den Bilder von Magdalena Frey Erwarten Sie keine lange Rede, keine wissenschaftliche Rede und keine Rede die Sie lange vom Feiern abhält. Ich habe es gerne übernommen, über die Ausstellung zu sprechen, weil ich jahrelang die Arbeiten von Magdalena verfolgen konnte und mein große Freude daran gehabt habe und ich bin mir dessen sicher, dass sich die Freude noch ins Vielfache steigern wird. Ein Lob der Galerie. Ich finde es ist ein wunderschöne Ausstellung und auch eine mutige Ausstellung. Ich habe schon viele Ausstellungen von Magdalena Frey gesehen und auch Kataloge, es wurden oft die radikalen Dinge ausgelassen - und hier sind sie eben nicht ausgelassen, das finde ich großartig. Und wenn man die radikalen Äußerungen zu würdigen weiß, weiß man auch die milderen Arbeiten besser zu schätzen. Was ich jetzt radikal nenne, ist wie ein Gewürz, das ist Pfeffer und Blut und Fleisch dieser gewaltigen Leistung. Mein Lob an die Galerie, dass ihr euch das traut - und ich denke, das wird euch sicher noch gelohnt werden. Schon in den 60er Jahren bildet sich ein Kreis heraus, der aus Arnulf Rainer, Peter Kubelka, den Aktionisten Brus, Mühl, Nitsch, Schwarzkogler, aus Attersee, Rühm, dem jungen Priessnitz, dem jungen Cibulka bestand. Ich habe jetzt sicher ganz wichtige Namen vergessen und es war auch sicher böser Wille, das zu tun. Da waren Leute die etwas Neues wollten und bereit waren, das kompromisslos zu tun. Es ging darum, bedingungslos die Wahrheit zu suchen, von der wir alle nicht wissen was das ist. Unsere Vorbilder waren Nietzsche, Freud, Künstler der Jahrhundertwende wie Trakl, Musil, allen voran Klimt, Schiele, Kokoschka, Schönberg, Berg und Webern. Cibulka war damals kompromisslos im Einsatz als passiver Akteur für Schwarzkogler und für mich. Viele der Fotos, die damals entstanden sind, hängen heute in den großen Weltmuseen und wir sind ihm alle dankbar für das, was er damals für uns getan hat. Es hat sich ein gewaltiger Fotograf aus ihm herausentwickelt und ich glaube die Aktionisten können sich da ein bisschen hineindrängen und ich kann sagen, sein Blick ist sicher durch den Aktionismus geschult worden. Für mich ist er einer der größten, wenn nicht der größte lebendige Fotograf, weil er auf des Spezifische des Mediums Fotografie eingeht. Die Fotografie wird oft missbraucht, um Malerei zu imitieren, und das macht eben Cibulka und seine Schule überhaupt nicht. 1984 hat Cibulka an der Salzburger Sommerakademie einen Fotokurs geleitet. Ich war ihm damals sehr neidig darum, weil ja dort Oskar Kokoschka gelehrt hat, jedenfalls es war damals für mich das Höchste an der Salzburger Sommerakademie unterrichten zu dürfen. Er durfte es und hatte damals noch dazu seine Frau kennen gelernt. Jetzt wäre es vollkommen falsch zu verleugnen, dass Magdalena Frey seine Schülerin war, seine beste Schülerin, und dass es ihr nicht geschadet hatte. Unter dem großen Einfluss von Cibulka zu stehen und kein Epigone zu sein, das ist eine große Leistung. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass er mit seiner Leistung Magdalena Frey ein Sprungbrett geschaffen hat und dass es ihr eben geglückt ist, alle seine Einflüsse verarbeiten zu können und durchaus etwas Eigenständiges entstehen zu lassen. Und das ist es, was ich so liebe an ihren Arbeiten - sie greift in unser eigenstes Fleisch, in unsere feuchten Organe, greift in die Gedärme, wenn Sie wollen in die Gebärmutter. Es ist ganz wichtig, dass gerade dieses Medium der Fotografie das herausholt. Ihr geht es nicht um medizinische Lehrtafeln. Dazu ist ihr ganzes fotografisches Engagement viel zu assoziationsreich. Hier wird plastisch unsere Natur gezeigt. Das sind wir. Das sind unsere Organe. Das sind unsere Triebe. Das ist unsere Sexualität. Das ist unter Umständen unser wollüstiges und schmerzensreiches Hiersein. Ich finde dabei oft Gegenüberstellungen von Religiösem und Triebhaftem, und ich kann da keine Blasphemie erkennen. Es ist so, das Triebhafte macht das Religiöse plastischer, und das Religiöse macht das Triebhafte plastischer. Hier wird moderne Bildpsychoanalyse betrieben. Das geht uns alle zutiefst etwas an. Das sind wir. Diese herrlich großen, gewaltigen Raubtiere, die aber eben auch einen Buddha, einen Christus hervorgebracht haben, die den Zenbuddhismus hervorgebracht haben. Es ist ganz wichtig, dass mit diesen Bildtafeln nichts verleugnet wird, dass gezeigt wird - mit einem tiefen Blick - wer wir wirklich sind und es soll jetzt nichts Negatives sein, wenn ich sage: wir sind Raubtiere, es ist eben so. Das heißt nicht, dass deshalb die ganze Schöpfung annulliert werden muss: es ist so, im Sein frisst einer den anderen – und dann kommt doch eine „Neunte Beethoven“ heraus, dann kommt doch Glück heraus, dann kommt doch immer wieder Liebe heraus. Aber andererseits diese Liebe geht zurück in unsere organische Wirklichkeit. Das Gesagte soll keinen Empirismus glorifizieren. Hier ist große Kunst gemacht worden, die sagt: So ist die Welt - So ist es. So sind wir. Lasst uns das verherrlichen, dass wir sind, dass wir so sind, wie wir sind, weil wir so vielen Augenblicken ausgesetzt sind, durch die wir uns glückhaft bewähren können, die uns helfen den Schmerz zu annullieren. Es gibt das schöne Wort Qualwollust: Wollust und Qual stehen einander gegenüber. Ich mag nicht, dass man sagt Kunst hat eine Botschaft, aber irgendwie kommt da etwas aus den Bildern heraus, das sagt: Lasst uns leben, so ist das Leben, es ist schrecklich, abgründig und wahnsinnig herrlich. Jetzt möchte ich eigentlich den Bogen schließen. Ich habe geredet von den Freunden, die mit dabei waren bei einem gewissen Aufbruch, aber jetzt schließt sich der Kreis und ich traue mich das zu sagen, wir haben noch einen jungen Freund, noch eine junge Freundin gefunden, und das ist eben die Magdalena Frey mit diesen Leistungen, die hier in den Bildern der Ausstellung zu sehen sind. Hermann Nitsch, 2004
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